Predigt für den 2. Palmsonntag (Reminiszere) - Frank Müller

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und seinem Sohn, unserem Herrn Jesus Christus. Amen 
In der Stille wollen wir nun um den Segen Gottes für das Hören und Reden bitten. Amen

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

Unzufriedenheit – das Gefühl haben, zu kurz zu kommen, das Gefühl haben, dass andere Schuld an meiner Situation haben, das Gefühl haben, anderen geht es immer besser als mir, das Gefühl haben, früher war alles viel besser und heute ist alles nur schlecht, das Gefühl haben, andere müssen mir doch helfen und tun es nicht, das Gefühl haben, die Politik muss doch meine Bedürfnisse erfüllen und tut es nicht, Unzufriedenheit, sie kommt aus der eigenen Egozentrik, wenn ich nur mich und meine Situation sehe und den Blick für das Ganze verliere bzw. verloren habe. Unzufriedenheit ist ein schnell wirksames Gift, dass das eigene Innere vergiftet. Unzufriedenheit nistet sich in alle Ecken des Körpers ein, gärt im Inneren, macht krank, trübt den Blick und entlädt sich zwangsläufig irgendwann in der Spirale von Groll, Ärger, Wut, Hass und Gewalt.

Wozu Unzufriedenheit führt und wie man sie überwinden kann, will uns der heutige Bibeltext aus dem 4. Buch Moses im 21. Kapitel verdeutlichen:

Da brachen sie auf von dem Berge Hor in Richtung auf das Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen. Und das Volk wurde verdrossen auf dem Wege und redete wider Gott und wider Mose: Warum habt ihr uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Denn es ist kein Brot noch Wasser hier, und uns ekelt vor dieser mageren Speise. Da sandte der HERR feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, dass viele aus Israel starben. Da kamen sie zu Mose und sprachen: Wir haben gesündigt, dass wir wider den HERRN und wider dich geredet haben. Bitte den HERRN, dass er die Schlangen von uns nehme. Und Mose bat für das Volk. Da sprach der HERR zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben. Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben..

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

Giftig ging es zu in unserem Bibelabschnitt. Giftschlangen töteten die abtrünnigen Israelitten in der Wüste. Normalerweise denken wir bei Gift zunächst immer an irgendwelche Substanzen, die außerhalb von uns vorhanden sind, und dann in den Körper eindringen und uns schaden oder umbringen. Aber es gibt auch ein Gift, das aus unserm Inneren kommt, aus unserm Körper heraustritt - etwa durch den Mund - und dadurch Schaden anrichtet.
Und dann wundert es uns, wenn der Schaden auf uns zurückfällt. Könnten die äußeren und inneren Gifte vielleicht mehr miteinander zu tun haben als wir wahrhaben wollen? Könnte die Umwelt vielleicht deshalb so vergiftet sein, weil unsere Innenwelt mit Gier, Egoismus und „Geiz ist geil“ vergiftet ist? Die Gifte, die in Industrie und Militär produziert werden, sind das vielleicht Reproduktionen unseres inneren Zustandes der Angst, des immer höher, schneller, weiter und sicherer? Die Schäden, die wir äußerlich nehmen, hängen die vielleicht auch mit unserem inneren Unheilsein zusammen und müssten deshalb von dort her bekämpft werden?

Schauen wir uns unsere giftige Geschichte aus dem 4. Buch Mose doch noch einmal näher an: Das Volk Israel - unterwegs in der Wüste. Ägypten - die Sklaverei - hinter ihnen. Kanaan - das Land der Verheißung und Freiheit - vor ihnen. Doch nun müssen sie noch einmal einen Umweg machen, sie gehen zurück statt vorwärts, um das Land der Edomiter zu umgehen, die sie nicht durchlassen wollten. Die anfängliche euphorische Aufbruchstimmung aus Ägypten kippt und „verraucht“. Der Alltag macht sich breit und es wird wieder gemurrt und gemeckert. Die Israeliten haben - die Schnauze voll – sind voller innerem Gift und bei wem beklagt man sich? Natürlich bei denen, die gewollt oder nicht gewollt die schwere Verantwortung des Auszugs aus Ägyptens übernommen haben und sie mit allen Mühen und unter Aufgabe auch der eigenen persönlichen Interessen tragen; Man murrt über die Anführer, man murrt sogar über Gott: „Warum hast du uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste?“ „Es gibt kein Brot, es gibt kein Wasser und dieses leicht verderbliche Zeug, dieses Manna jeden Tag, kotzt uns an. Es jeden Tag wieder aufsammeln zu müssen, da es sich keinen Tag länger hält und jeden Tag wieder darauf angewiesen zu sein, dass Gott uns Wasser zeigt und gibt. Nichts selber in der Hand zu haben, nichts absichern und produzieren zu können! Immer nur von Gott abhängig und unterwegs zu sein, das macht uns fertig, das bringt uns noch um!“ So strömt das innere Gift aus Ihnen heraus. Sie rebellieren gegen Gottes Wege.

Und das, obwohl sie Gott doch bisher so wunderbar versorgt hat: kein Nahrungsmangel, keine Mangelerscheinungen, Gott zeigte Wasser, Gott führte sie mit Mose den Weg des Lebens, zum Leben, Gott bewahrte und versorgte sie wunderbar, vielleicht nicht immer nach ihrem Geschmack, aber so, dass ihnen nichts fehlte und nichts schadete. ER behütete sie vor Gefahren, auch vor den Schlangen, die schon immer in der Wüste waren. Aber das wollte man gar nicht mehr hören und man wollte auch nicht mehr erkennen, dass sie mit Gottes Hilfe so weit und gut durch die Wüste gekommen sind. Zur Selbstverständlich ist ihnen dies alles geworden und so ist den Wüstenwanderern auch Schritt für Schritt die Dankbarkeit hierüber abhandengekommen. Und so wächst ihre Unzufriedenheit. Unabhängig von Gott wollen sie sein, das Leben selber in die Hand nehmen, eigene Sicherheiten wollen sie haben. Danach verlangt es Ihnen. Und der Drang zur Unabhängigkeit, das Besserwissen, das negativen Reden, das Kritisieren, die Sprache des Unglaubens vergiftet immer mehr ihre Seele und Geist - dieses Gift macht kaputt, das tötet! Es vergifteten die Atmosphäre, noch bevor der Sand von Giftschlangen wimmelte. Die echten Wüstengiftschlangen waren auf ihrem Weg ja immer da, aber hatten keine Macht über die Israeliten, weil Gott sie zurückhielt. Nachdem die Israeliten ihr Gift des Unglaubens verspritzt hatten, von Gott unabhängig sein wollten, zeigte ihnen Gott sehr drastisch, den Preis ihrer Unabhängigkeit, zeigte ihnen deutlich, was es bedeutet, sich von Gott zu lösen. Gott erfüllte ihnen den Wunsch der Freiheit und löste damit aber auch ganz konsequent seine Schutzmacht über das Volk Israel in der Wüste. Und was folgte: Die bisher durch den Schutz Gottes zurückgehaltenen Wüstenschlagen, deren Gift tödlich war und deren Biss wie Feuer brennt, haben jetzt leichte Beute. Sie beißen, vergiften und töten die Menschen.

Schon in den allerersten Geschichten der Bibel stehen Schlangen auch ganz allgemein für die „Sünde“, für das Böse, das Macht über den Menschen ergreift. Für das, was uns dazu verführt, das Schlechte zu tun und das Gute zu unterlassen. Schlangen sind also mehr als ein giftiges Tier im biologischen Sinn. Sie sind auch ein Symbol für das, was uns seelisch vergiftet. Und wie erwehrt man sich eines solchen giftigen Überfalls? Das Volk Israel führt vor Augen, was für eine Entgiftung gebraucht wird: Einsicht in das eigene Fehlverhalten. Suche nach Umkehr und Neuanfang. Reue und Buße. Das gilt für jeden einzelnen wie für ein ganzes Volk. Die Israeliten baten Mose, dass er für sie vor Gott einsteht. Und doch ist es nicht allein damit getan, dass Mose für das Volk vor Gott einsteht. Ohne eine gewisse Eigenaktivität geht es nicht! Worin besteht die? Mose muss eine Schlange anfertigen und an einer Stange befestigen, die er hochhält. Das symbolisiert: Die an der Stange angenagelte Schlange ist besiegt und tot. Gott hat die Schlange und ihr Gift besiegt. Und das Volk wird heil von allem Schlangengift und bleibt leben, wenn es von sich selbst wegschaut und aufschaut zu Gott und dem, was ER getan hat! Gottes Tun ist das Gegengift zu bösem Tun, der Glaube das Gegengift für den Unglauben, die Sprache des Glaubens das Gegengift für die Sprache der Hetze, der Lüge, des Hasses. Lobpreis und Dank das Gegengift zu negativem Denken und Reden.

Das Bild von der ehernen Schlange an der Holzstange und die Maßnahme, wie wir Sie aus dem Text des Alten Testamentes gehört haben, scheinen archaisch. Die Aussage dahinter ist aber durchaus offen, auch für unser heutiges Verstehen. „Seht hin!“ – sagt Gott. „Seht hin auf das, was euch krank macht und eure Seele vergiftet. Erst, wenn ihr euch dem stellt, könnt ihr geheilt werden.“ Im neuen Testament kennen wir ein ähnliches Bild, das für das Heilen, das Heil, steht: Jesus Christus am Holzkreuz. Schau aufs Kreuz, auf das Leid, das Gott bei seinem eigenen Sohn zugelassen hat, dort ist der Schlüssel, der Weg zur Rettung und zum Leben! Glaube heißt: wegsehen von sich selbst und den eigenen Wunden, hinsehen zu Jesus und seinen Wunden, in denen wir geheilt sind! Er nahm alle Sünde, alles Gift, allen Fluch auf sich. Wir bleiben gebunden, wenn wir uns mit uns selbst und unseren Problemen beschäftigen, aber wir werden frei, wenn wir uns mit IHM und seinen Lösungen beschäftigen! Und mögen wir in unserem Leben immer wieder über unsere eigenen Steine stolpern, das können wir aufgrund unserer menschlichen Schwachheit vielleicht nicht verhindern. Aber wir können auf Jesus sehen, im Eingeständnis eigener Unzulänglichkeit und Schwäche, im Bekenntnis unserer Fehlverhalten und in der Bitte um Vergebung. Diese gehören schon immer zum christlichen Lebensweg. Sie stellen die Voraussetzung dafür dar, dass wir neu anfangen, neue Wege für uns selbst und unsere Mitmenschen erschließen können, neu Gott nahekommen und den göttlichen Funken in uns zum Leuchten bringen können. Das und nichts anderes bedeutet Christsein. Innerlich heil sein, heil werden, heil bleibe, dass ist die höchste Priorität, die wir Christen uns setzen sollten, weil genau daraus all unser Denken, Tun und Handeln und damit unser Lebensweg erwächst. Heil aus Heil sein, Unheil aus Unheilsein. Jesus Christus unser Herr will uns zum Heil führen.

Amen.

Und der Friede Gottes welcher höher ist als all unsere irdische Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus unserem Herrn. Amen.