Predigt am 3. Sonntag nach Epiphanias - Pfarrerin Esther Böhnlein

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde,

„Von diesem Treffen sollte niemand erfahren: Hochrangige AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer kamen im November in einem Hotel bei Potsdam zusammen. Sie planten nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland.“, so schreibt es das Recherche Netzwerk Correctiv.org am 10. Januar 2024. Ausführlich wird in dem Artikel über rechte Strukturen in Deutschland berichtet. Und dabei geht es eben nicht um Hooligans oder Schlägertypen, sondern reiche Menschen mit Macht und Einfluss, auch Landtags- und Bundestagsabgeordnete, die eins wollen: Die Grenzen Deutschlands stärken. Jenseits der Grenzen sollen die hin befördert werden, die ihrer Meinung nach nicht in dieses Land passen: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und „nicht assimilierte Staatsbürger.“ Auch wer bspw. in Nächstenliebe handelt und versucht Vorurteile abzubauen und das Verständnis der Menschen untereinander zu stärken fällt unter die letzte Kategorie. Die christliche Botschaft ist dabei ganz klar: Es gilt Grenzen zu überwinden, statt sie stärker und unüberwindbarer zu machen.

Wie passend also, dass unser heutiger Predigttext genau davon erzählt: Dass es klappt bei aller Unterschiedlichkeit von Ethnie, Religion und Sprache Grenzen zu überwinden. Die Geschichte ist für einen Predigttext recht üppig und könnte genau so ins Theater oder ins Kino gebracht werden. Bevor also der Vorhang aufgeht eine kurze Personeneinführung: Wir haben Naaman, den erfolgreichen Anführer des aramäischen Heeres, dessen Gott Rimmon heißt. Und dann haben wir noch den Propheten Elischa, dessen Gott „Gott, der Herr“ ist. Aber hören sie selbst, Vorhang auf…

1. Könige 5,1-19 nach der BasisBibel

51Naaman war der Heerführer des Königs von Aram. Sein König schätzte ihn sehr und hielt große Stücke auf ihn. Denn der Herr hatte bewirkt, dass er für Aram siegreich war. Er war ein Kriegsheld, litt aber an Aussatz.2Die Aramäer überfielen das Land Israel immer wieder.

Einmal hatten sie ein junges Mädchen verschleppt, das jetzt im Dienst von Naamans Frau stand.3Dieses Mädchen sprach zu ihrer Herrin: »Ach, wäre mein Herr doch beim Propheten in Samaria! Der könnte ihn von seinem Aussatz heilen.«4Da ging Naaman zu seinem Herrn und König und berichtete ihm: »Das und das hat das Mädchen aus Israel gesagt.«5Darauf sagte der König von Aram: »Geh dorthin! Ich werde dir ein Schreiben mitgeben. Es ist für den König von Israel bestimmt. «Naaman ging los und nahm Geschenke mit:340 Kilogramm Silber, 6000 Goldmünzen und zehn kostbare Kleider.

6So kam er zum König von Israel und übergab ihm das Schreiben. Darin stand: »Wenn du dieses Schreiben erhältst, weißt du: Ich habe meinen Knecht Naaman zu dir geschickt, damit du ihn von seinem Aussatz heilst.«7Als der König von Israel das Schreiben gelesen hatte, zerriss er seine Kleider. Er sagte: »Bin ich denn Gott? Kann ich töten oder lebendig machen? Da schickt dieser mir einen Mann, den ich vom Aussatz heilen soll! Merkt ihr es? Er sucht nur einen Anlass für Krieg!«

8Elischa, der Gottesmann, hörte davon, dass der König von Israel seine Kleider zerrissen hatte. Deshalb schickte er eine Botschaft zum König: »Warum hast du deine Kleider zerrissen? Naaman soll zu mir kommen. Dann wird er erkennen, dass es in Israel einen Propheten gibt!«9So kam Naaman mit Pferden und Wagen zu Elischa und hielt vor der Tür seines Hauses.10Elischa schickte einen Boten zu ihm hinaus: »Geh und wasch dich siebenmal im Jordan! Dann wird deine Haut gesund und du giltst wieder als rein.«11Doch Naaman wurde zornig. Er wollte weggehen und sagte: »Ich dachte, er selbst kommt zu mir heraus und stellt sich vor mich hin. Dann ruft er den Namen des Herrn an, seines Gottes, erhebt seine Hände und betet in Richtung des heiligen Ortes. Und so heilt er mich vom Aussatz.12Abana und Parpar, die Flüsse von Damaskus, sind die nicht viel besser als alle Gewässer Israels? Dann hätte ich mich gleich dort waschen können, um wieder gesund zu werden! «Voller Zorn drehte er sich weg und wollte gehen.13Da traten seine Diener an ihn heran und sagten zu ihm: »Herr, was wäre gewesen, wenn der Prophet etwas Großes von dir verlangt hätte? Hättest du es dann nicht getan? Doch er sagte nur: ›Wasch dich und du wirst gesund. ‹Warum tust du das dann nicht?«14Also stieg er doch zum Jordan hinab und tauchte siebenmal unter, wie es der Gottesmann gesagt hatte. Da wurde seine Haut gesund wie die Haut eines Kindes, und er galt wieder als rein.

15Darauf kehrte er wieder zum Gottesmann zurück, zusammen mit seinem ganzen Gefolge. Er trat vor ihn hin und sagte: »Nun weiß ich, dass es nirgendwo einen Gott gibt außer in Israel. Er ist der einzige Gott auf der ganzen Welt. Nimm doch ein Geschenk von deinem Knecht an!«16Elischa aber antwortete: »So gewiss der Herr lebt, in dessen Dienst ich stehe: Ich werde nichts annehmen!« Naaman versuchte ihn zu überreden, aber Elischa weigerte sich.17Schließlich sagte Naaman: »Wenn du das nicht willst, dann soll man mir, deinem Knecht, Erde mitgeben –so viel wie zwei Maultiere tragen können. Denn ich will keine anderen Götter mehr anbeten. Nur noch dem Herrn will ich Opfer darbringen, Brandopfer und Schlachtopfer sollen es sein.18Nur das eine soll der Herr deinem Knecht verzeihen: Mein Herr, der König, besucht den Tempel des Rimmon, um dort zu beten. Dabei stützt er sich auf meinen Arm. Also muss auch ich dort auf die Knie fallen und mit ihm Rimmon anbeten. Der Herr soll es deinem Knecht verzeihen!«19Elischa antwortete: »Geh hin in Frieden!«

Liebe Gemeinde,

was für eine Story. So viele Wendungen, Absurditäten und Seltsamkeiten, die da vor sich gehen. Wir sortieren ganz kurz: Ein aramäischer Militär hat eine Hautkrankheit, die aber nicht so schlimm ist, dass er von der Gesellschaft ausgeschlossen werden würde. Eine verschleppte Sklavin gibt den Tipp, dass er in Israel, also im Feindesland, geheilt werden könnte. Naamans König unterstützt das, woraufhin der König von Israel eine Intrige wittert. Zum Glück bekommt der Prophet Elischa davon mit, schaltet sich ein und hilft, auch wenn er das ganz anders macht, als Naaman es erwartet hätte. Am Ende wäscht sich Naaman dennoch sieben Mal im Jordan, wird gesund und Elischa möchte nicht einmal das mitgebrachte Dankeschön dafür annehmen.

Drei Punkte finde ich in Bezug auf diesen außergewöhnlichen Text nachdenkenswert:

1.  Warum es helfen kann, über enttäuschte Erwartungen zu reden 

Ein großes Problem in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen sind unausgesprochene Erwartungen. Da möchte eine Person einmal in der Woche angerufen werden, kommuniziert die Erwartung aber nicht. Herauskommt ein: Du rufst ja nie an. Oder ein Klassiker aus dem pastoralen Dienst: Menschen wünschen sich einen Besuch, rufen aber deswegen nie im Pfarramt an, sondern warten still und heimlich darauf, dass man diesen Wunsch errät. Naaman ist da etwas deutlicher. Nach dem ganzen Aufwand hätte er von Elischa erwartet zumindest mal einen Fuß vor die Tür zu setzen, wenn er zur Heilung vorbekommt. Außerdem hatte er sich schon die magische Zeremonie ausgemalt, wie das mit der Heilung so abläuft. Stattdessen soll er sich im kleinsten und dreckigsten Fluss in diesem Gebiet sieben Mal waschen – ne, ne, da kann er auch gleich wieder nach Hause fahren. Naaman ist tief enttäuscht. Und er ist wütend. Eine recht verständliche Reaktion auf eine enttäuschte Erwartung – immerhin spricht er aber darüber. Er sagt: Ich dachte es läuft so und so ab. Seine Diener halten ihm den Spiegel vor und zeigen deutlich auf, dass diese Erwartungen ausschließlich in seinem Kopf waren und dass es immer noch die Chance gibt, so zu handeln, wie Elischa es vorgeschlagen hat. Siehe da: Es ist hilfreich, über die eigenen Erwartungen und Gefühle zu sprechen. Auch, wenn sie enttäuscht wurden und Zorn im Raum steht – am Ende kann immer noch alles gut werden.

2. Auf die Kleinen kommt es an

Den Auftakt für die Wendung im Leben von Naaman bringt eine verschleppte, ausländische Sklavin. Sie, die am untersten Ende der innerhäuslichen Hackordnung steht, hat eine Idee und scheut sich davor, sie einzubringen. Elischa selbst trägt als einfacher Prophet und Gottesmann dazu bei, dass kein Krieg zwischen Aram und Israel ausbricht, indem er zeigt, dass Naaman keinen Hinterhalt plant. Und Naamans Diener ist es, der ihm nach seiner enttäuschten Erwartung dazu motiviert dennoch sieben Mal im Jordan zu baden und trägt so maßgeblich dazu bei, dass Naaman geheilt werden kann. Dreimal sind es also dienende Figuren, welche die Handlung und Heilung in Gang bringen bzw. in Gang halten und das drohende Scheitern, gar Krieg, abwenden. Das kommt mir von Weihnachten ganz schön bekannt vor: In der Krippe liegt kein Held, kein König und das Umfeld von Jesu Geburt ist wenig glamourös. Es zeigt umso mehr: Auf die Kleinen kommt es an. Auf jede einzelne Stimme. Ja, jede kleine Idee oder empathische Reaktion kann die Welt zum Guten verändern.

3. Gott braucht uns für seinen Heilsplan

Der Ursprung des Heilungswunders ist: Gott – klar. Aber nicht irgendein Gott, nicht Rimmon, sondern es ist Gott, der Herr, der in unserer Geschichte bewirkt, dass Naaman wieder gesund wird. Die Geschichte will den Lesern und Leserinnen deutlich machen: Es gibt nur einen Gott, der das kann. Aber dieser Gott ist kein Zauberer, sondern wir alle sind dazu aufgerufen daran mitzuarbeiten, dass die Welt besser werden kann. Eben habe ich davon gesprochen, dass es dazu auch die Kleinen braucht. Im Neuen Testament hören wir später davon, dass das Reich Gottes, das Gute in dieser Welt, oftmals im ganz Kleinen beginnt. Und dass es an uns Menschen liegt daran mitzubauen. Das Versprechen ist klar: In der Ewigkeit ist schon alles umgesetzt, was wir hier beginnen. Aber hier und jetzt sind wir Menschen, die Dinge zum Guten bewegen können.

Zusammenfassend lässt sich also sagen:

  • In unseren menschlichen Beziehungen aller Art kann es verdammt hilfreich sein, über Erwartungen und vor allem auch enttäuschte Erwartungen zu reden.
  • Es kommt auf die Kleinen an. Keiner ist zu klein, zu unbedeutsam oder zu schwach, um die Welt verändern zu können.
  • Gott braucht uns Menschen, um mit Gott gemeinsam am Reich Gottes auf Erden zu bauen. Auch, wenn es nur Kleinigkeiten sind, die Welt ein Stück besser machen.

Und, zu guter Letzt: Gottes Liebe kennt keine Grenzen. Es ist total egal, dass Naaman aus einem anderen Land kommt und sogar an einen anderen Gott glaubt. Für Gottes Liebe haben diese Grenzen keine Bedeutung. Was zählt, ist Elischas letzter Satz: Geh hin in Frieden. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alles Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Predigtlied KAA 075 Wo Menschen sich vergessen