Predigttext: Lukas 14, 16 – 24
Liebe Gemeinde,
„Jetzt ist die Zeit“ lautete das Motto des Evangelischen Kirchentages in Nürnberg, der am letzten Sonntag zu Ende gegangen ist. Es war nach den dürren Coronajahren endlich mal wieder ein fetter, fröhlicher, bunter Kirchentag! Dabei gab es so viele ernste, kontroverse, emotional stark aufgeladene Themen, denen man auch nicht ausgewichen ist, sondern die man sich angelegen sein ließ. Dazu waren Politiker und Politikerinnen verschiedener Couleurs eingeladen worden, die befragt und gelöchert wurden, aber das Beeindruckende an diesem Kirchentag war wieder einmal: Da fehlte die Häme, das Drängende, das Abwertende, die Schelte, das Verurteilende – das, was mir jedenfalls derzeit im öffentlichen Diskurs sauer aufstößt, wenn es um die ja durchaus drängenden Fragen unserer Zeit geht.Stattdessen war da beim Kirchentag immer wieder Beten und Singen, Essen und Trinken und Kreativität in unterschiedlichster Form – ein Fest eben! Ein richtiges Fest, so wie man es sich vorstellt, und das nicht trotz der, sondern mit den und um die anstehenden Fragen unserer Zeit. Daran musste ich denken beim Lesen unseres Predigtwortes vom großen Gastmahl, in dem ja auch genau das Thema ist: Jetzt ist die Zeit!
Ja, „Jetzt ist die Zeit“, das trifft es irgendwie, genauso wie die „Zeitenwende“ unseres Bundeskanzlers ihn irgendwie getroffen hat, den Nerv unserer bundesdeutschen Gesellschaft, die, auch wenn die Inhalte sehr unterschiedlich sein mögen, ihre Felle wegschwimmen sieht und ihnen hilflos hinterher schaut. Ich erlebe unsere Gesellschaft derzeit als zutiefst verunsichert, und zwar im Osten wie im Westen. Was uns eint,bei aller Verschiedenheit, ist das Grundgefühl, dass es so nicht weitergehen kann wie bisher, dass sich derzeit so viel ändert, dass man gar nicht mehr hinterher kommt , und dass auch wir uns ändern müssen, ob wir wollen oder nicht, aber keiner weiß noch so recht, wie das gehen soll und ob es dafür nicht schon längst zu spät ist, wie es die „Letzte Generation“behauptet.
Keine Frage – das macht Angst! Und es ist kein Wunder, dass man sich in solchen Zeiten nach Sicherheit und Verlässlichkeit sehnt, so wie es auch kein Wunder ist, dass in solchen Zeiten die Ultrakonservativen und die Ultrafrommen Hochkonjunktur haben. Aber ich finde, sie spielen vielfach mit unseren Ängsten und machen uns noch zusätzlich Angst!
Das empfinde ich übrigens auch, wenn ich diese messerscharfen Worte in unserem Gleichnis lese:
„Ich sage euch, von den anfangs Eingeladenen wird keiner jemals mehr einen Platz an meinem Tisch erhalten!“. Das ist die Sprache der Ultrafrommen, nach dem Motto„Täuscht euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten,denn er ist ein eifernder Gott!“u.a.m.Aber, das ist eine der wichtigsten Erkenntnisse meines Theologenlebens: Das passt nicht zu dem Gott, den uns Jesus Christus als seinen Vater vorgestellt hat und zu der Verkündigung Jesu!
So wie Jesus uns Gott vorgestellt hat, sucht er immer unser Leben,selbst wenn wir selber uns am Ende sehen.Seine Liebe zu uns und zu seiner ganzen Schöpfung ist grenzenlos und hat kein Ende, da bin ich mir nach allem, was ich von Jesus glaube, verstanden zu haben,sicher, so wie es 1.Kor.13 heißt: „Die Liebe glaubt alles, hofft alles, duldet alles, erträgt alles; die Liebe hört niemals auf.“
Aber Gott sei Dank ist nicht die vordergründige Aussage unseres Gleichnisses, das mahnende „Kehrt um, sonst ist es irgendwann oder vielleicht schon jetzt zu spät!“das letzte Wort Gottes und damit die zielführende Aussage unseres Predigtwortes, sondern eher, denke ich, die Strategie des Hausherrn, sein Fest nicht abzusagen, sondern statt dessen zu öffnen für Menschen, an die er zunächst gar nicht gedacht hatte: Er lässt die von den Hecken und Zäunen und von der Straße herein holen!
Das sagt uns: Nicht wir entscheiden, ob das Fest stattfindet oder nicht, nicht wir sind die Veranstalter, sondern Gott ist der Hausherr und damit der Herr, der, jetzt im übertragenen Sinne, über die Zukunft der Kirche entscheidet!
Und wenn ich die traditionelle enge Auslegungsgeschichte des Gleichnisses jetzt mal verlasse, was ich inzwischen öfter tue, und das Gleichnis auf das Leben auf unserer Erde übertrage, dann würde ich sagen: Nicht wir entscheiden über Leben oder Sterben unseres Planeten, auch wenn wir Menschen inzwischen sehr viel Macht haben. Trotzdem bleibt Gott der Herr der Welt!
All unsere sicher wichtigen Strategien zum Erhalt unseres Planeten, z. B.das derzeit heftig umstrittene Heizungsgesetz, werden durch dieses Bekenntnis automatisch in die zweite Reihe verschoben!
Das ist für mich heute die wichtigste Erkenntnis nach der Beschäftigung mit unserem Gleichnis: Es ist wichtig, dass wir uns bewegen, uns verändern, neue Prioritäten setzen, aber was daraus wird, das liegt in Gottes Hand!Wenn wir uns das immer wieder vor Augen führen, wenn wir um den „richtigen“ Weg ringen, dann werden wir, mit Gottes Hilfe, die Ruhe bewahren, uns gegenseitig nicht verletzen, sondern sachlich diskutieren und gemeinsam Lösungen suchen!
Die zweite für mich heute wichtige Erkenntnis ist: Wir sind „Eingeladen zum Fest des Glaubens“und „Unser Leben sei ein Fest“ ,denn Gott selber lädt uns dazu ein, um es Liedertiteln zu sagen. Der Sinn unseres Lebens auf dieser Erde ist, nach Voltaire, gut französisch, uns zu amüsieren. Wir würden vielleicht eher sagen: Der Sinn unseres Lebens ist es, uns unseres Lebens zu freuen, glücklich zu sein, das Leben zu genießen!
Ich finde, das kann man nicht oft genug sagen! Und weil man das am besten kann, wenn man dankbar auf alles Gute und Schöne schaut, was das Leben uns so schenkt, ergänze ich gerne: „Gott loben, das ist unser Amt“, vielleicht sogar das vornehmste , weil es uns fokussiert und den Sinn unseres Lebens vor Augen hält!
Für mich heißt das heute: Ja, jetzt ist die Zeit, das stimmt! Wir leben in einer Zeit tiefgreifender Veränderungen und wir sind unsicher, aber was soll`s – Gott hat Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in seiner Hand und er ist bei uns, er lässt uns nicht allein, „alle Tage, bis ans Ende der Welt!“.Und was die Zukunft anbelangt, so gilt auch für sie, dass Gott uns nicht zu Verzicht und Selbstaufgabe ruft, sondern zum Fest des Lebens! Der Kirchentag konnte einen Eindruck davon vermitteln, finde ich, dass ein Zurückschrauben unserer Ansprüche und eine Abkehr von dem „Immer mehr, immer größer, immer besser, immer schneller...usw. nicht einen Verlust an Lebensqualität bedeuten muss – im Gegenteil. Ja, wir werden teilen müssen in der Zukunft, aber ist das uns Christen jedenfalls nicht schon lange bewusst ? Also nur Mut – die Zukunft gehört Gott und denen, die auf ihn vertrauen!
Einen wunderschönen Sonntag wünsche ich uns allen, trotz Klimawandel, trotz Krieg in der Ukraine, trotz Inflation und Wiederaufrüstung, trotz privater oder beruflicher Probleme, trotz Krankheiten und Tod und was uns vielleicht sonst noch so umtreibt! Morgen geht es weiter damit, aber heute lasst uns Gott loben und uns unseres Lebens zu freuen, denn das ist der Sinn des Sonntags und des Gottesdienstes und Gott erhalte uns das, das, finde ich, ist wichtiger als alles andere!
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen