Jubelkonfirmation am 15. Sonntag nach Trinitatis - 17. September 2023 - Predigt: Pfarrerin Esther Böhnlein

Gnade sei mit euch und Friede, von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.  

Liebe Gemeinde,  

schwelgen Sie manchmal in Erinnerungen? Gerade jetzt, wo so ein Jubiläum ansteht, ist ein guter Zeitpunkt dafür. Die Gedanken kreisen: Wie war das früher nochmal? Wer war denn da dabei? Was hatten wir an? Was ist damals so passiert? Gar nicht so leicht, ich helfe Ihnen ein bisschen:  

  • 1973 bestimmt die erste Ölkrise das Weltgeschehen. Im Radio läuft Elton John mit „Crocodile Rock“ oder auch Deep Purple mit „Smoke on the Water“. Die Stadt Rödental ist gerade einmal zwei Jahre alt.  

  • Zehn Jahre zuvor im Jahr 1963 ist Ludwig Erhard Bundeskanzler geworden und Martin Luther King hielt seine berühmte Rede „I have a dream“. Die Berliner Mauer steht seit zwei Jahren.  

  • 1958 wird es zum ersten Mal möglich, dass Frauen ohne Zustimmung des Ehemanns einen Beruf ausüben dürfen, im Kino läuft „Der alte Mann und das Meer“ mit Spencer Tracy.  

  • 1953 steht ganz im Zeichen des Aufstands in der DDR vom 17. Juni, erst fünf Jahre zuvor im Jahr 1948 war die Berliner Luftbrücke eingerichtet worden, um die Menschen in Westberlin versorgen zu können.  

Eins haben all diese Jahreszahlen gemeinsam: Das Leben in Deutschland war ein ganz anderes, sei es vor 50, 60, 65, 70 oder auch vor 75 Jahren. Unser Land war geteilt, die Wiedervereinigung in weiter Ferne. Es gab Krisen, Probleme und Kriege und doch höre ich es hier und da. Selten ein plattes „früher war alles besser“, eher ein: „Früher war es unbeschwerter.“ Oder ein: „Wir waren viel draußen, wir haben gespielt und kamen heim, wenn es dunkel wurde. Es war einfacher.“ Ich frage Sie also nochmal: Schwelgen Sie in Erinnerung an Ihre Jugendzeit? Sie waren zu aller meist 13 oder 14 Jahre alt, als Sie konfirmiert wurden. War das Leben unbeschwerter, leichter, als es das heute ist? In der Konfirmation haben Sie „Ja“ zu Gott gesagt. Gott hatte Ihnen in Ihrer Taufe sein eigenes „Ja“ schon zugesagt. Und dann? Was ist nach Ihrer Konfirmation passiert? 

Sie haben Ihr Leben in die Hand genommen, haben es selbst aktiv gestaltet. Vielleicht haben Sie den Zuspruch Gottes an manchen Tagen mehr gespürt als an anderen. Und mit Sicherheit hat Ihnen die ein oder andere Sorge das Leben schwer gemacht.  

In genau dieser Situation befindet sich auch Abram, der später Abraham heißt. Er ist der Hauptakteur unseres heutigen Predigttextes. Dieser steht im Alten Testament im 1. Buch Mose im 15. Kapitel:  

Nach diesen Geschichten begab sich’s, dass zu Abram das Wort des Herrn kam in einer Erscheinung: Fürchte dich nicht, Abram! Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn. Abram sprach aber: Herr GOTT, was willst du mir geben? Ich gehe dahin ohne Kinder und mein Knecht wird mein Haus besitzen. Und Abram sprach: Mir hast du keine Nachkommen gegeben; und siehe, einer aus meinem Haus wird mein Erbe sein. Und siehe, der Herr sprach zu ihm: Er soll nicht dein Erbe sein, sondern der von deinem Leibe kommen wird, der soll dein Erbe sein. Und er ließ ihn hinausgehen und sprach: Sieh gen Himmel und zähle die Sterne; kannst du sie zählen? Und sprach zu ihm: So zahlreich sollen deine Nachkommen sein! Abram glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit. 

Liebe Jubelkonfirmanden und Jubelkonfirmandinnen,  

Abraham macht sich Sorgen. Sein Leben ist nicht mehr so unbeschwert, so federleicht, wie es einst gewesen ist. Es ist auch nicht so, dass er in allem auf Gott vertraut. Er hat sein Leben selbst in die Hand genommen und aktiv gestaltet. Ich erkenne da deutliche Parallelen zu Ihnen: Denn auch Sie haben Ihr Leben in den Jahren nach Ihrer Konfirmation selbst in die Hand genommen. Sie haben einen Beruf ergriffen, vielleicht haben Sie geheiratet und eine Familie gegründet, vielleicht sind Sie umgezogen oder um die Welt gereist. Sie selbst haben angefangen Ihr Leben zu gestalten. Und dann passiert es im Leben eben, dass sich Sorgen einstellen, die einem die ein oder andere schlaflose Nacht beschweren kann. Vielleicht auch Nächte, in denen sich Gott besonders nah oder besonders weit weg entfernt anfühlt.  

Abraham hat also auch eine Sorge. Er kommt mit ihr zu Gott und klagt GOTT, was ihn bedrückt. Es geht um seine Kinderlosigkeit. Ein Thema, das er eben nicht so einfach selbst in die Hand nehmen kann. Möglicherweise ein Thema, das in Ihrem Leben auch schon Platz hatte. Und mir fallen noch so viele andere Sorgen ein, die uns Menschen im Leben beschäftigen. Sorgen, die wir nicht selbst in der Hand haben: Unsere Gesundheit bzw. Krankheit. Naturkatastrophen wie Überschwemmungen. Unfälle. Der Tod von geliebten Menschen und die Sorge darum, wie es wohl weitergehen kann. Ich denke auch an anstrengende Prüfungen oder Arbeitsstress, an Beziehungskonflikte. Ich denke an die Frage nach dem Älterwerden.  

Und bei all den Sorgen frage ich mit Abraham vor Gott: Was davon habe ich denn nun selbst in der Hand? Und wie verhält sich das zu Gottes Zuspruch? 

In der Konfirmation haben Sie den Segen Gottes zugesprochen bekommen. Sein Versprechen aus der Taufe wurde Ihnen noch einmal vor Augen geführt und mit aufgelegter Hand zugesagt. Viel ist in den 50, 60, 65, 70 oder gar 75 Jahren nach Ihrer Konfirmation passiert: Abbrüche – auch zur Kirche – und Neuanfänge, sorgenvolle und freudige Tage. Geburten, Todestage, Geburtstage, Hochzeiten, vielleicht auch die Konfirmation des eigenen Kindes oder gar Enkels. Und ja, Sorgen haben auch dazu gehört – ob Sie sie wie Abraham vor Gott gebracht haben oder nicht.  

Abraham kann seine Sorge nicht mehr selbst tragen. Sie ist ihm zu schwer. Die Sorge um seine Kinderlosigkeit macht ihn zu traurig, die Tränen schmerzen und er hält es allein nicht mehr aus. Also beschwert er sich bei Gott darüber. Drückt Gott die Sorge in die Hand und beschwert Gott gewissermaßen damit.  

Und Gott? Der geht auf seine Beschwerde ein. Er macht sich nicht lustig oder sagt „nun hab dich nicht so“, „anderen geht’s auch so“ oder „wird schon wieder.“ Er sieht, wie es Abraham geht. Dass es ihm nicht gut geht, dass seine Sorgen echt sind. Und dann passiert etwas Erstaunliches: Gott nimmt Abraham an der Hand und führt ihn unter den Sternenhimmel. Er benutzt ein verständliches Bild um Abraham zu sagen: Alles wird gut werden.  

5Und er ließ ihn hinausgehen und sprach: Sieh gen Himmel und zähle die Sterne; kannst du sie zählen? Und sprach zu ihm: So zahlreich sollen deine Nachkommen sein!  

Abraham gibt seine Sorge an Gott ab und Gott antwortet mit einem leuchtenden Sternenhimmel. Und irgendwie… ja, irgendwie stellt sich bei Abraham daraufhin eine Art Erleichterung ein. Das Leben ist deswegen nicht leichter geworden, Abrahams Frau ist davon nicht schwanger geworden und auch seine Sorge ist noch da. Aber er weiß, dass nun jemand anders dafür Sorge trägt. Er hat es nicht selbst in der Hand. Sondern einer, der weiß, wie viele Sterne am Himmel stehen. Es ist die Gleichzeitig davon, das Leben selbst in der Hand zu halten und zu wissen, dass es Dinge im Leben gibt, die man abgeben kann. Ich finde, das hat etwas Entlastendes: Etwas abzugeben, ohne das gleich alles zusammenbricht. Zu wissen, dass ich nicht nur in meiner eigenen Hand bin, sondern da einen an meiner Seite habe, der mich auch noch in der Hand hält.  

Freilich läuft das im Fall von Abraham recht gut: Nur sechs Kapitel später bringt seine Frau Sarah einen Sohn auf die Welt. Unsere Erfahrung im Leben ist, das nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen ist. In den Jahren seit Ihrer Konfirmation haben Sie Sorgen erfahren, die sich in Wohlgefallen und Freude aufgelöst haben. Sorgen, die blasser geworden sind. Sorgen, die geblieben sind und ihr Gesicht verändern. Eins aber ist gleichgeblieben: Die Zusage Gottes an Sie aus Ihrer Taufe, Sie durch Ihr Leben zu begleiten. Nicht nur an den Tagen, an denen alles federleicht und unbeschwert ist. Gottes Zusage gilt auch für die echten Sorgen des Lebens. Vor allem für die, die wir nicht selbst in der Hand haben. Und Gottes Einladung damit zu Gott selbst zu kommen, allemal. Sei es mit einem Stoßgebet, einer angezündeten Kerze, sei es mit einem Blick in den Sternenhimmel oder einem „Verflucht, Gott, wo bist du nur?“. Heute zu Ihrem Konfirmationsjubiläum erinnere ich Sie genau daran: Dass Gott „Ja“ genau zu dieser Lebensbegleitung gesagt hat und sein Ja unverbrüchlich gilt, egal was seit Ihrem „Ja“ vor 50, 60, 65, 70 oder 75 Jahren passiert ist. Sorge dich nicht, denn der, der weiß wie viele Sterne am Himmel stehen, ja, der ist es, der mit dir geht.  

Mit den Worten von Cornelia Egg-Moewes:  

Kennst du das: du bist unsicher – und dann kannst du unerwartet leichtfüßig gehen.  

Kennst du das: du meinst, du bist allein mit deiner Sorge – und dann trägt eine andere mit.  

Kennst du das: du zweifelst an Gott und der Welt – und dann segnet dich der Himmel trotz Nacht.  

Amen.  

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.  

Predigtlied EG 171 Bewahre uns, Gott